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Doing Popular Culture. Zur performativen Konstruktion der Gothic Szene

Die Gothic oder schwarze Szene, wie sie in Deutschland von ihren Mitgliedern selbst genannt wird, entsteht in den ausgehenden siebziger Jahren in England, als progressive Bands aus Glam Rock, Industrial und Post Punk neue Musik-Genres entwickeln. Das musikalische Erleben geht einher mit sich beständig erneuernden ästhetischen Repräsentationen, Lebensstilen und -einstellungen, die nach heutigem Verständnis und Forschungsstand ein sehr heterogenes soziales und kulturelles Feld bilden.

doingpopularculture

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt „Doing Popular Culture“ nimmt die heutige schwarze Szene unter Aspekten der Performanzforschung in den Blick. Aus einer dekonstruierenden Perspektive fragt das Projekt zunächst nach den Prozessen, anhand derer die Szene performativ erzeugt, diskursiv gedeutet und transformiert wird. Wie werden kollektiv geteilte Interessen, Gemeinsamkeiten und Konflikte ausgehandelt, die eine materielle, körperliche und symbolische Ordnung herstellen und damit einen gemeinsamen Erfahrungsraum konstituieren?

 

Ausgangspunkt der Forschung ist der asymmetrische Vergleich dreier Events, die beispielhaft für die cultural performances der Szene stehen: das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig, das Amphi Festival in Köln und das M'era Luna in Hildesheim. Die Veranstaltungen bilden die größten Gothic- und Alternativ-Festivals in Deutschland und locken jährlich zwischen zehn und dreißg tausend Besucher_innen an. Sie sind in ihrer räumlich-materialen Konstellation wie auch in ihrem populärkulturellen und kulturindustriellen Kontext höchst unterschiedlich. Das Projekt geht thesenhaft davon aus, dass diese als typisch charakterisierten Events den performativen Rahmen bilden, in dem sich die Szene in hybriden Praktiken herstellt und sich dabei beständig selbstreferentiell und -reflexiv verändert. Diese Aushandlungsprozesse, so der Grundgedanke des Projekts, finden in zentraler Weise auf einer körperlichen, sinnlichen und emotionalen Ebene konkreter räumlich und zeitlich gebundener Erfahrungen statt.

Wesentliche Themenkomplexe der Forschung sind neben den unterschiedlichen Formen der Vergemeinschaftung und ihrer szenekonstituierenden Prozesse auch ihre Materialisierungen. Zentral steht hier der Körper als Instrument von Subjektivierung, der Fragen aufwirft nach den vielfältigen, teilweise ambivalenten Inszenierungen und Ästhetisierungen, u.a. im Hinblick auf Gender und Alter.

In diesem Zusammenhang widmet sich das Projekt außerdem der Bedeutung der Atmosphäre, die die Aktualität des Erlebens prägt, und rückt damit Aspekte von Sinnlichkeit und Emotion in den Forschungshorizont.

Des Weiteren nimmt das Projekt die vielseitigen Handlungsoptionen in den Blick und fragt nach möglichen widersprüchlichen Formen der Aneignung kulturindustriell formatierter Angebote. Auch die Auseinandersetzungen innerhalb der Szene als historisch gewachsenes, zudem politisch höchst ausdifferenziertes Feld werden im Zuge der Feldforschung und Analyse fokussiert.

Die Projektgruppe forscht mikroperspektivisch und akteurszentriert, wobei in erster Linie ethnographische Befunde und narrative Interviews, sowie ergänzend die Analyse von Medientexten, Bild- und Videodokumentationen, der Organisationsstrukturen der Festivals und deren kulturindustrielle Bedeutung die Basis des Materials bilden.

Das Projekt leistet hiermit nicht nur einen Beitrag zur Performanzforschung im Fach Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie, sondern auch zu Populärkultur-, Alltagskultur und Szeneforschung. Ziel ist es, eine Kulturanalyse performativer Praktiken im Kontext vergemeinschaftender Ereignisse vorzulegen und diese in all ihrer Vielschichtigkeit zu verstehen.

Projektleitung: Prof. Dr. Markus Tauschek (tauschek@kaee.uni-freiburg.de)

Mitarbeiterin: Nikola Nölle M.A. (nikola.noelle@mail.kaee.uni-freiburg.de)

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Laufzeit: 2017–2020)