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Das Phänomen 'Spomenik'

Baumann Forschung

Der "Urban Explorer" Darmon Richter vor dem Monument für die Schlacht an der Sutjeska in Bosnien und Herzegowina im Rahmen seines Tourangebots "The Past-Future Monuments of the Balkans". Quelle: Uwe Baumann (2022).

Das Phänomen ,Spomenik‘. Kurationen ex-jugoslawischer Monumente im Kontext von Verfallsfaszinationen, dissonanten Geschichtsbildern und globalen Medienhandlungen

Das Dissertationsprojekt beleuchtet, wie schwieriges Kulturerbe durch gegenwärtiges Medienhandeln zu Destinationen geformt wird und welche Zugänge und Wertigkeiten sich gerade durch das populäre Interesse an Verfall, Leerstand und dessen Ästhetik ergeben. Gegenstand der Untersuchung bilden Denkmäler, die im ehemaligen Jugoslawien zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg errichtet wurden. Im Zuge des Zerfalls des multiethnischen Staates wurden viele seiner Repräsentationsbauten und Erinnerungsstätten zu schwierigem Kulturerbe, erfuhren Zerstörung und Vandalismus oder erschienen über Jahrzehnte untergenutzt und verwahrlost. Gerade in diesem Zustand wurden die modernistischen und brutalistischen Denkmäler ab etwa 2010 zu einem Trendthema im Internet, das seither unter dem Hashtag ,Spomenik‘ zirkuliert. Auf Bosnisch-Kroatisch-Serbisch bedeutet der Term lediglich Denkmal, hat sich im internationalen Kontext jedoch als wiederkehrendes Label für jugoslawische Denkmäler eingeschärft, die im Zuge ihrer steigenden Online-Popularität zu beliebten Destinationen des Nieschentourismus wurden.  Desolater Zustand in Kombination mit besonderer architektonischer Gestaltung und ,dunkler‘ Vergangenheit haben diese Architekturen seither für Reisemodi, wie Urban Exploration und Dark Tourism zu außergewöhnlichen Reisezielen gemacht. An diese Praktiken des Reisens und der Ästhetik knüpfen diverse Kurationsprojekte lokal und international an, die primär durch Medienhandeln geformte Wertigkeiten für die touristische Erschließung und die Vermittlung von Geschichte in Bezug auf diese Bauwerke nutzbar machen. Die Ethnografie (vor Ort und digital) fokussiert sich auf Beispiele in Bosnien und Herzegowina und lotet im Sinne der Critical Heritage Studies insbesondere Spannungen aus, die sich aus dieser Entwicklung ergeben: Wem ,gehört‘ Kulturerbe? Wie ,darf‘ es repräsentiert werden? Werden die Erinnerungsorte lediglich kommodifiziert, de-kontextualisiert und zur Fassade für touristische Selbstdarstellungen oder ist die Entwicklung Ausdruck dynamischer Erinnerungskulturen und kosmopolitischer Ästhetisierungen in einer global vernetzten Gegenwart?
Promotionsprojekt von Uwe Baumann M.A.