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Solidaritätsbiografien: Deutungen von Solidarität aus der Sicht ehrenamtlich engagierter älterer Menschen (65+)

dornhöfer

Bild: freepik   

 

Rufe nach Solidarität sind laut im gegenwärtigen Alltag und kommen von vielen Seiten. Dabei zeichnet sich der Begriff bei genauerem Hinsehen durch eine eklatante Unschärfe aus: Solidarität wird mannigfaltig inszeniert, beispielsweise als Apell bei der politischen Meinungsbildung, in Form von konkreten Unterstützungsleistung im privaten Nahbereich oder als Postulat einer guten Lebensführung im Namen der Nächstenliebe. Ausgehend von der akteurszentrierten Mikroebene nimmt das Promotionsprojekt Solidarität als ein diskursiv hergestelltes, soziokulturell geprägtes, erfahrungsbasiertes und dynamisches Konstrukt in den Blick. Es deckt Zusammenhänge zwischen Biografie und ehrenamtlichem Engagement auf, fragt nach den Gründen für oder gegen solidarisches Handeln und beleuchtet aus einer übergeordneten historischen Perspektive Deutungen von Solidarität sowie deren Transformationszusammenhänge seit 1945, der „Stunde Null“ in Deutschland (siehe Rosenthal 2024: Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen). Die zentrale empirische Basis bilden biografische Interviews mit ehrenamtlich engagierten Menschen im Alter von 65+ Jahren, die als „solidarische Expert*innen“ über einen längerzeitlichen lebensgeschichtlichen Rückblick verfügen. Die Analyse der persönlichen Erzählungen stellt individuelle Erfahrungen, gesellschaftliche Rahmendiskurse, historische Ereignisse und soziale Figurationen heraus, die an der Deutungsbildung mitwirken. Eine besondere Beachtung kommt dabei dem Verhältnis von kognitiven und emotionalen Regimen zu, die sich in Konzeptionen von Solidarität auf kollektiver und individueller Ebene einschreiben (vgl. Elias 1983: Engagement und Distanzierung).

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, dem vermeintlich selbstverständlichen Schlagwort Solidarität durch eine kulturwissenschaftliche Annäherung deutlichere Konturen zu geben. Ferner möchte es einen Beitrag zu der aktuellen Diskussion um „die Neuen Alten“ (Aner 2007) als gesellschaftliche Solidaritätsressource leisten, bei der eine biografieorientierte Betrachtung häufig vernachlässigt wird.

Das Promotionsprojekt wird mit einem Stipendium durch die Landesgraduiertenförderung unterstützt.

Projektbearbeitung: Julia Dornhöfer M.A.

Betreuung: Prof. Dr. Markus Tauschek