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Zukunft leben oder überleben?

Zukunftslaboratorien als Möglichkeitsräume für ein gutes Leben jenseits der Gegenwartsgesellschaft

 

Das Projekt zu Zukunftslaboratorien widmet sich aktuellen Diskursen und den damit verbundenen performativen Praktiken der „Zukunftsexploration“ (Reckwitz 2016) und untersucht anhand zweier exemplarischer Felder in Deutschland, wie zivilgesellschaftliche Akteur*innen alternative Zukünfte für ein gutes Leben jenseits der Gegenwartsgesellschaft und zum Teil in Opposition zu staatlichen und ökonomischen Infrastrukturen und Institutionen entwerfen. Das Projekt greift dabei das in der interdisziplinären Zukunftsforschung formulierte Desiderat auf, nicht nur Zukunftsvorstellungen, sondern auch „Zukunftspraktiken“ (Reckwitz 2016) empirisch zu erforschen:

Dr. Julian Genner analysiert  in der Fallstudie „Die Zukunft überleben: Krisenimagination und Vorsorge im Kontext der Prepper-Bewegung“ Zukunftspraktiken von sogenannten Preppern. Dies ist eine nicht institutionalisierte Bewegung, deren Anhänger*innen sich intensiv auf unterschiedliche Krisenszenarien mit apokalyptischen Zukunftsvorstellungen – z. T. vermittelt über populäre Medien – vorbereiten und dabei politischen Formationen und staatlichen Infrastrukturen ihre Funktionstüchtigkeit absprechen. Hier geht es nicht in erster Linie darum, den Staat mit seinen Infrastrukturen radikal zu transformieren, sondern darum, auf der Subjektebene Handlungsmöglichkeiten des Überlebens nach einem potenziellen Zusammenbruch staatlicher oder auch marktlicher Strukturen bereit zu stellen.

Ina Kuhn M.A. untersucht in der Fallstudie „Auf der Suche nach dem guten Leben: Praktiken der Zukunftsexploration auf Utopie-Festivals“, wie im populärkulturellen Format des Festivals Entwürfe für ein gutes Leben performativ und diskursiv ausgehandelt und erprobt werden. Hier setzen sich Akteur*innen kritisch mit ökonomischen und ökologischen Herausforderungen der Gegenwart auseinander, stellen dabei auch neue Formen des sozialen Miteinanders (etwa auch neue Formen der Sexualität) zur Disposition, ohne dass sie durch politische oder aktivistische Forderungen die Gesellschaft insgesamt transformieren möchten. Die Festivals setzen vielmehr an den jeweiligen subjektiven Lebenswelten der Teilnehmer*innen an und möchten diese transformieren.

Hintergrund des Projekts ist die zunehmende Erosion politischer und gesellschaftlicher Zugehörigkeiten  und die Fragmentierung gesamtgesellschaftlicher Zukunftsentwürfe, die in der Gegenwartsgesellschaft an Bindekraft verloren haben. Thesenhaft geht das Projekt davon aus, dass gesellschaftlichen Akteur*innen eine Vielzahl an Möglichkeiten der Reaktion auf diese Fragmentierung zur Verfügung steht. Zudem geht das Projekt davon aus, dass die untersuchten Akteur*innen die Fragmentierung gleichzeitig perpetuieren. Ist der Aufstieg populistischer Figurationen in vielen Ländern Europas eine mögliche Reaktion, die innerhalb der Logik politischer Strukturen liegt, fokussiert das hier vorgeschlagene Projekt zwei Formen, die im Gegensatz dazu als emergent zu beschreiben sind, die auf anderen sozialen Organisationmodi und darüber hinaus auf populärkulturellen Rahmen beruhen:

Projektleitung: Prof. Dr. Markus Tauschek und Dr. Julian Genner 

Mitarbeiterin: Ina Kuhn M.A.

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Laufzeit: 2020–2023)