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Wahrnehmen, (Ver)dichten, Deuten.

Wahrnehmen, (Ver-)dichten, Deuten.
Zur Herstellung und Diskursivierung des schreibenden Erzählens in Kursen und Ratgeberliteratur

In den 1970er Jahren gründen sich sowohl in der BRD wie in der DDR zahlreiche Schreibwerkstätten und Schreibzirkel, die – jeweils kulturpolitisch lanciert – die Erlernbarkeit der Schreibkunst postulieren und praktizieren. Obwohl es aus kulturhistorischer Sicht gesehen zahlreiche Belege für vielfältige Schreibpraktiken in der Breite der Gesellschaft schon lange vorher gegeben hat, gelten „Schreibausbildungen“ als neu. Die aktuellen Schreibkursofferten sowie Schreibratgeber werden von den Anbieter*innen mit Begrifflichkeiten des Literarischen oder Kreativen Schreibens versehen und werben mit zugesprochenen Effekten wie einer Erweiterung der subjektiven Wahrnehmung und des Selbst- wie Weltverständnisses.

Das Forschungsprojekt untersucht daher an der Schnittstelle einer Anthropologie der Sinne, Emotionen und Narrativistik, wie Menschen innerhalb von Kursen und anhand von Ratgebern die Praxis des schreibenden Erzählens konstituieren und mit Bedeutung versehen. Dabei lotet die Arbeit das Verhältnis der vom Feld unterstellten Erlernbarkeit schreibenden Erzählens zu (vormaligen) Genie- und (neuartigen) Kreativitätsdiskursen aus.
In welche sozialen, politischen und ökonomischen Kontexte betten die Akteur*innen ihre Praxis ein und welche Einflussmöglichkeiten auf gesellschaftliche Gestaltungsprozesse werden dadurch eröffnet? Wie grenzen die Involvierten schreibendes Erzählen terminologisch und soziokulturell ein?

Welche Identifikationsstrategien stellen die Anbieter*innen von Schreibkursen bzw. Autor*innen von Ratgeberliteratur bereit, und wie inszenieren die Beteiligten ihre Praxis? Diesen und weiteren Fragen gehe ich in meinem Dissertationsprojekt auf der Basis des praxisgeleiteten Verfahrens der Grounded Theory nach. Unter dem Rückbezug auf verschiedenartige Ratgeberliteraturen sowie Feldforschungen bei den „Deutschen Schreibtagen“ in Berlin, Teilnehmenden Beobachtungen in der „Lübecker Schreibwerkstatt“ und der Ethnographie eines Volkshochschulkurses in Kiel entsteht so eine dichte Beschreibung und Analyse kultureller Vermittlungs-, Aneignungs- und Nutzungsweisen des Schreibhandelns.

Verfasserin: Karen Breiholz, M.A.

Betreuer: Prof. Dr. Markus Tauschek